Hey Kilian, stell Dich doch bitte kurz vor.
Hallo zusammen, meine Name ist Kilian Schönberger und ich möchte heute auf Farbwolke ein bisschen was zu meinem fotografischen Schaffen erzählen. Mit meinen 26 Jahren schreibe ich gerade an meiner Diplomarbeit im Fach Geographie an der Universität Bonn. Die Wissenschaft vom Raum versuche ich mit der den Raum abbildenden Fotografie zu verbinden. Sprich Landschaften und zunehmend auch Stadträume sind meine fotografischen Hauptthemen. Meine Bilder veröffentliche ich unter Kilian Schoenberger Photography oder auf bildraum, meinem Fotografie & Musik Blog.
Kannst du mir ein bisschen von Dir erzählen, wo bist Du aufgewachsen und was hat Dich beeinflusst?
Aufgewachsen bin ich in der Peripherie: Im bayerischen Hinterland – mehr oder weniger direkt an der tschechischen Grenze. Die nächste größere Stadt war damals Regensburg. Heute bin ich ganz froh darüber und möchte die Erfahrungen die ich dort gemacht habe nicht mehr missen. Meine Kindheit zwischen Wald und Fluss hat mich natürlich in meiner Umweltwahrnehmung geprägt. Das ging einher mit frühem Engagement im Naturschutz und Interesse an Flora, Fauna und Naturräumen aber auch für die Geschichte bzw. regionale gesellschaftliche Veränderungen (z.B. Auswirkungen durch den Fall des Eisernen Vorhangs). Wobei ich schon damals über die Grenzen hinausgeschaut hab und Stadträume wie Prag zu schätzen gelernt habe. Das Studium im Rheinland ist letztendlich die logische Konsequenz aus dem Leben in zwei Welten: Einerseits bewusstes Erleben urbaner Lebenskultur, andererseits das Interesse an Landschaftsräumen, in denen der Lebenswandel noch Naturbezug aufweist. Diese Dichotomie zwischen Stadt und Natur zieht sich eigentlich durch all meine Lebensbereiche.
Seit wann fotografierst du? Wie bist du zur Fotografie gekommen?
Die ersten Versuche machte ich mit der “legendären” Ricoh Caplio RR30 ab 2003. Nachdem diese 2006 unfreiwillig schwimmen ging, war eine Canon 400D mein Einstieg in die DSLR-Fotografie. Das Interesse an der Fotografie hat sich erst nach und nach entwickelt. Zuvor hab ich mehr gezeichnet. Aber irgendwie war Fotografie das geeignetere Medium um meine Eindrücke in unwegsamem Gelände festzuhalten.
Du bist ein wahnsinnig guter Landschaftfotograf, woher kommt diese Passion und was fasziniert dich selber daran?
Danke für das Lob. Manchmal wunder ich mich selbst, woher die Passion kommt. Ich habe viel darüber nachgedacht, was Landschaft oder Räume allgemein “schön” erscheinen lässt. Welche Bilder sind in unserem Unterbewusstsein verankert, dass strukturreiche Orte in der Natur (z.B. ein alter Baumbestand oder ein Wasserfall) ästhetischer und ursprünglicher empfunden werden als monotone Agrarflächen. Anscheinend sind es genau diese “strukturreichen” Szenarien, die vom Betrachter als attraktiv angesehen werden. Als Fotograf bedient man demnach entweder diese Erwartungshaltung, oder man verfolgt einen gegensätzlichen Kurs: Minimalistische Naturdarstellung in Geometrien geordnet (sprich Spannungsaufbau durch Widerlegung der vorher genannten unbewussten Erwartungshaltung). Beides funktioniert, letzteres möchte ich weiter intensivieren in Zukunft.
Auf welchen Fleck der Erde würdest du gerne mal fotografieren?
Tsja, das ist das Leiden eines Fotografen der gern mal Landschaften als Motiv nimmt. Es gibt zu viele spannende Länder und Orte. Teilweise liegen diese direkt vor der Haustür, aber wenn es exotischer sein darf: Die Antarktis oder Vulkane auf Kamtschatka…
Gib doch unseren Lesern doch mal 1-2 Tipps wie man zu so guten Aufnahmen kommt…
Eine wichtige Grundvoraussetzung ist, dass man die Szene im Sucher als zweidimensional-plane Ebene versteht, obwohl man einen dreidimensionalen Raum fotografiert. Das Auge spielt einem da öfter einen Streich und bei manchen Elementen, insbesondere wenn sie hohes optisches Gewicht im Bild haben, können ein paar Zentimeter Unterschied bei der Aufnahme entscheidend sein. Daher darauf achten, wo Linien in das Bild oder aus dem Bild heraus führen und ob z.B. aus menschlichen Köpfen Bäume erwachsen etc. In der Theorie erscheint das alles immer sehr logisch, vor Ort ist es dann oft gar nicht so einfach alle Elemente vor dem geistigen Auge auf eine Ebene reduzieren zu können. Aber spätestens wenn man es mit Wald oder Kieselsteinen an einem Ostseestrand zu tun hat, kann ein kleines angeschnittenes oder nicht angeschnittenes Nebendetail über die Qualität des Bildes entscheiden.
Eine weitere wichtige Faustregel ist: Je weiter weg vom Parkplatz man fotografiert, desto weniger tot fotografiert sind die Motive. Auch bekannte Motive kann man aus einer ungewöhnlichen Perspektive spannend für den Betrachter inszenieren. Wobei es nicht schadet ab und an mal auch bei Google etc. zu schauen wie andere Fotografen einen bestimmten Ort aufgenommen haben. Wer es riskant mag verlässt einfach öfter mal die markierten Wege…
Eine Landkarte lesen zu können hilft auch weiter, oft kann man anhand der Höhenlinien etc. spannende Fotoziele identifizieren. Scouting ist ein wichtiger Bestandteil der Landschaftsfotografie: Locations erkunden und dabei verstehen wie sie zu anderen Jahreszeiten / Licht- oder Wetterbedingungen wirken würden. Dann kann man bei optimalen Bedingungen die Bilder in den Kasten bringen! Leider ist man so mehr vom Wetter abhängig als ein Studiofotograf. Dafür gibt es aber auch überraschende Momente: Bei richtiger Licht- und Wetterstimmung kann auch ein banales Motiv wie ein abgeerntetes Maisfeld plötzlich spannend werden… andererseits mach ich viele meiner Bilder bei fahlem Licht. Prinzipiell muss man aber nicht unbedingt gleich in den Yosemite Nationalpark um gute Landschaftsfotos zu machen.
Mit was bearbeitest du deine Bilder? Kannst du uns ein wenig in deinen Workflow entführen?
Natürlich fotografiere ich im RAW-Modus: Wegen der größeren Datendichte und um im Nachhinein schon im Converter ein paar Einstellungen vornehmen zu können. Der Großteil der Arbeit am Rechner erfolgt in Photoshop. Dabei verwende ich keine externen Plugins, habe aber eine Sammlung selbst geschriebener Aktionen, die verschiedene Aufgaben erfüllen und dann lokal ausmaskiert werden. Für mich der wichtigste Schritt ist es, die einzelnen Bildelemente in ein ausgewogenes Verhältnis an Belichtung und Sättigung zu bringen. Ist dies erreicht, fällt es leichter den natürlichen Eindruck zu rekonstruieren. Ich versuche also eine authentische mögliche Realität aus dem Bild herauszuholen. Was für mich zum Beispiel nicht so gut funktioniert sind zu harte künstliche Kontraste, sehr auffällige Halos und durch Verlaufsfilter abgedunkelte Baum- und Bergspitzen.
Fotografierst du auch andere Dinge? Wenn ja was und warum?
Relativ häufig fotografiere ich Architektur. Gelegentlich auch Menschen… langfristig hab ich vor, in diesen beiden Motivbereichen intensiver zu arbeiten. Manchmal ermöglicht erst die Kombination von Architektur, Menschen und Landschaft eine tiefer gehende Darstellung eines bestimmten Ortes.
Wie stellst du dir diese Kombination vor? Was sind für dich Bindeglieder zwischen Mensch & Architektur?
Für mich besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Mensch, Architektur und umgebender Natur. Natur jetzt nicht im Sinne eines unberührten Idealzustandes, sondern mehr als Gesamtheit der äußeren Einflüsse wie Witterung, Relief, Naturgefahren etc. Was ich sehr spannend finde ist, dass man z.B. in der traditionellen Bauweise in verschiedenen Regionen mit ähnlichem Klima, ähnliche Baustile findet. Sprich, die dort lebenden Menschen haben die Architektur an die dort vorherrschenden Verhältnisse angepasst. Weiter wurden diejenigen Rohstoffe verwendet, die in der unmittelbaren Umgebung zu finden waren… in Regionen mit eher wenig Holzvorkommen wie Schottland dominieren Steinhäuser, im Alpenraum finden sich unterschiedlichste Beispiele von Holzarchitektur und in Island hat man sogar Häuser aus Torf und Grassoden gebaut. Spätestens seit der Industrialisierung findet man auch in der Architektur eine “Überwindung” der Natur – sprich die Baustile lösen sich oft aus ihrem traditionellen lokalen Kontext. Die Frage ist: Wird auch der diese Gebäude bewohnende Mensch aus diesem Kontext gelöst? Marc Augé berichtet in seinem Buch “Nicht-Orte” von der (globalen) Austauschbarkeit künstlicher Räume und den mangelnden Möglichkeiten zur Identifikation mit diesen. Ich denke Architektur bietet sich an, Veränderungen im Sozialgefüge fotografisch zu dokumentieren. Man denke nur an die spannenden Fotoserien aus asiatischen Megacities oder die Bildbände über Relikte der Sowjetarchitektur in Russland. Immer mehr wird einem bewusst, dass wir den Großteil unserer Zeit in künstlichen Räumen verbringen. Selbst wer ursprüngliche Natur erleben will, erwarten einen idealisierten und mitunter auch romantischen Urzustand der Umwelt. Wir leben in künstlichen Lebensräumen, die Städte breiten sich immer weiter aus und selbst wenn wir den Städten den Rücken kehren, ist unsere Erwartung an die Natur an sich eine konstruierte Vorstellung (Das Naturbild wird heute meist mehr durch Werbung und Medien etc. beeinflusst als durch Eigenerfahrung). Diese Vorstellung kann man sich zunutze machen indem man die und per Landschaftsfotografie natürlich effizient bedienen bzw. auch manipulieren.
Was sagst du zum derzeitigen Trend “zurück in die analoge Fotografie” ? Reizt dich das Thema?
Analoge Fotografie könnt ich mir als separates Hobby vorstellen. Das ganze dann weniger auf die Bildergebnisse ausgerichtet, als auf das Fotografieren an sich. Analoge Fotografie ist für mich gelebte Entschleunigung. Eine Art meditative Beschäftigung. Bereits mit Digitalkamera ist es für mich ungemein entspannend im Herbststurm draußen zu sein und ein Motiv zu finden – ich denke dieser Entspannungseffekt würde sich mit analoger Technik noch verstärken lassen.
Was war bisher dein größter fotografischer Erfolg?
Im Rahmen der Buchmesse in Frankfurt letztes Jahr hat Arte für ein größeres Feature über das Gastland Island auf meine Fotos zurückgegriffen und sie so einem breiten Publikum zugänglich gemacht.
Mit welcher Person würdest du gerne einmal ein Bier trinken gehen und an welchen Projekt würdest du dann mit dieser Person arbeiten wollen?
Jetzt gerade: Mit einem Hubschrauberpiloten, der seine Freizeit gern in der Luft verbringt. Ich glaube da oben könnte man einen guten Job machen was die Visualisierung der Welt angeht. In diesem Fall aber dann aber vielleicht doch erst die Arbeit und danach das ein oder andere Bier.
Was ist dir wichtiger, ein schönes Online-Portfolio oder eine Foto-Serie?
Eindeutig die Serie. Online-Portfolios sind eher ein notwendiges Übel, am liebsten hätte ich meine Bilder in großem Format ausbelichtet in einer Halle an Roh-Beton hängen. Ich glaube das wäre ein schöner Kontrast.
Diese Idee könnte man ja auch ins Web tragen – ich stelle mir gerade eine Betonportfolio-Webseite vor… Wäre doch denkbar oder?
Das ist sicher leichter realisierbar als die Betongalerie in der Realität. Aber dann hätte man ja nur die Materialoptik und die physischen Eigenschaften, welche für mich einen großen Teil des Reizes ausmachen, würden verloren gehen. Aber natürlich ist es ebenfalls eine interessante Thematik wie man Bilder im Internet am besten präsentiert. Was kommt nach horizontalen Scrollbars, Tumblr und Onlinemagazinen? Ich bin gespannt.
Hast du ein Onlineportfolio was du unseren Lesern empfehlen würdest? Fotografen, die dich beeinflusst haben?
Ich schaue eigentlich eher Portfolios von Fotografen die nicht so viel mit Landschaftsfotografie zu tun haben. Konzeptionelle Fashionserien mit guten Ideen können mich begeistern. Aber da es hier ja um Naturfotografie im weiteren Sinne geht, empfehle ich ein Portfolio von einem Fotografen den ich sehr schätze: Vincent Munier – ein französischer Naturfotograf aus den Vogesen. Ich mag seinen sachlich aufgeräumten Stil ohne große Effekte sehr. Ebenso wie ich scheint er eine Vorliebe für die Gebiete der höheren Breiten zu haben… interessanterweise gefallen mir bei ihm auch Tierfotografien. Sein Portfolio erreicht man unter vincentmunier.com
Was möchtest du Fotografisch noch erreichen? Welche Ziele hast du?
Ich hoffe, dass ich auch in Zukunft der Fotografie beruflich treu bleiben kann. Digitale Fotografie bietet Möglichkeiten, die über Bilder machen und präsentieren hinausgehen. Da liegt durchaus Potenzial für Kombinationen mit anderen Berufsdisziplinen. Ebenso arbeite ich daran, dass meine Fotos nicht nur virtuell zu betrachten sind: Eine eigene Ausstellung mit großformatigen Abzügen wäre sicher ein Höhepunkt. Darüber hinaus gibt es ja noch einige Ziele für Fotoexkursionen die noch abgehakt werden wollen.
Wir haben eine Kategorie mit dem Namen „Inspiration finden“ auf Farbwolke, aus was ziehst du deine Inspiration?
Meine Inspiration ziehe ich oft aus kleinen alltäglichen Dingen. Das kann ein allein stehender Baum sein, den ich beim Zug fahren aus dem Fenster betrachte, ebenso wie ein schöner Bildband oder ein Lied, das den Soundtrack zu einer aktuellen Lebenssituation bildet. Musik ist wichtig. Wenn ich irgendwo draußen – ob Stadt oder Natur – unterwegs bin, dauert es oft nicht lange, bis mich einfach die Umgebung an sich inspiriert und der Zeigefinger möglichst schnell einen Auslöser betätigen will.
Noch ein paar abschließende Worte an unsere Leser?
Wer sich mit Fotografie beschäftigt sollte immer versuchen, sich von den Regeln und Gepflogenheiten virtueller Communities zu emanzipieren. Die ästhetischen Ideale, Motivtrends und Bearbeitungskonventionen wirken oft wie ein Korsett, dem sich leider nur zu gern unterworfen wird. Einfach die ausgetretenen Pfade verlassen und versuchen einen eigenen Stil zu finden.
Kontaktdaten :
Facebook | Lebensstil-Blog: bildraum.wordpress.com | Portfolio : www.kilianschoenberger.de