Martin kennen wohl viele von euch, er und viele Autoren betreiben die Seite kwerfeldein.de – wohl der größte deutsche Fotoblog im Internet. Darum soll es heute aber nicht gehen, Martin fasziniert mich in letzter Zeit immer mehr. Er probiert Hürden, die viele von uns im Kopf haben, abzubauen. Gerade die derzeit anschwellende Flüchtlingsproblematik lässt ihn nicht los. Dabei probiert er die Flüchtlinge in den fotografischen Vordergrund zu rücken. Er erzählt Geschichten darüber, wie seine Begegnungen mit Flüchtlingen sind. Nun war Martin aber letztlich im Kosovo unterwegs – dort berichtet er von der Armut – aber auch über die Herzlichkeit (die mir selbst schon in Uganda widerfahren ist..). Die Menschen mit dem größten Leid, haben auch oft das größte Herz. Danke Martin, dass du uns aufklärst uns begleitest und uns deine persönlichen Erfahrungen sowohl fotografisch aber auch textlich mitteilst.
Hier ein Auszug und die Fotos aus einem aktuellen Bericht:
Zu Beginn meiner Zeit in Kosovo besuchten wir eine muslimische Familie, die für mich bis heute an ein Wunder grenzt. Nachdem wir über eine wackelige Brücke über einen Fluss gefahren und den Jeep durch enge Wege gezwängt hatten, kamen wir vor dem Haus der Familie an und wurden sofort herzlich begrüßt.
Die Mutter servierte uns schwarzen Tee mit Zucker, der mir vorzüglich schmeckte. Auf der Couch lag ein Sohn der Eltern, der behindert war. Ich setzte mich zu ihm, versuchte, mit ihm zu lächeln und machte ein paar Fotos, die ich ihm zeigte.
Dieser Junge kam jedoch „normal“ auf Welt. Doch im Alter von 9 Monaten wurde er krank und bekam hohes Fieber. Das über lange Zeit nicht zurückging.
Weil die Familie kein Geld hatte, zum Arzt zu fahren (und den Arzt zu bezahlen), blieben beim Kind dauerhafte Schäden – und wir mutmaßten eine Hirnhautentzündung. Dieser Mensch kann nicht laufen und nicht sprechen, weil die Familie arm ist.
In Kosovo gibt es keine Versicherung, die im Falle eines Krankenhausbesuches diesen bezahlt. Wer kein Geld hat, muss leiden. Und wer kein Geld hat und ein krankes Kind, muss zusehen, wie das Kind leidet – und, wie in diesem Fall, behindert wird.
Dazu kommt, dass der Junge heute Medikamente braucht, die nicht billig sind. Ohne die Unterstützung der Caritas, die auch beim Hausbau geholfen hat, würde das Leben dieser Familie wesentlich düsterer aussehen.
Die Geschwister des Jungen (der übrigens viel lachte) machten auf mich aber überhaupt keinen düsteren Eindruck. Sie spielten mit mir im Hof Fangen, versteckten sich, während ich ihnen mit der Kamera unauffällig folgte, kicherten und: Strahlten übers ganze Gesicht. Auch die Eltern machten auf mich einen lebendigen und klaren Eindruck – immer wieder wurde mir schwarzer Tee angeboten.
Ich hatte mit allem gerechnet, doch nicht damit. Diese Familie schien ihre Armut akzeptiert und die Lust am Leben, die Freude an kleinen Dingen und somit auch die Würde ihrer selbst aufbewahrt zu haben. Es war, als ob ich in glücklichste Familie in Kosovo kennengelernt hatte.
Ich erinnere mich noch gut, wie ich noch tagelang über diese Begegnung rätselte und mich darüber wunderte. Auch heute denke ich noch oft an diese Familie, die leuchtenden Augen der Kinder und den Sohn, der nicht laufen kann.
Alleine die Vorstellung, eine meiner beiden Töchter würde krank werden und ich müsste dabei zusehen, wie sie sich eine Meningitis zuzieht, allein diese Vorstellung lässt mich erschaudern. Ich würde wohl meines Lebens nicht mehr glücklich werden.
Liebe Familie auf der anderen Seite des Flusses. Ihr habt mir so viel gegeben, dass ich Euch für immer dankbar sein werde. Inmitten der Not habt Ihr mich mit Freude und Gastfreundschaft überschüttet. Ich wünsche Euch eine Zukunft, in der Krankheit kein Grund zur Sorge sein muss. Eine Zukunft ohne Armut.
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Martin Neuhof
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