Sarah setzt sich mit vielen Dingen auseinander. Die zugezogene Leipzigerin ist Redaktionsleiterin eines Stadtmagazins, beteiligt sich aktiv am Legida-Gegenprotest und ist nebenbei noch freischaffende Künstlerin. Ein sehr vielseitiger Mensch. Es wurde Zeit sie zu interviewen.
Hey Sarah, stell dich doch mal kurz unseren Lesern vor…
Moin, meinen Namen hast du ja bereits verraten. Ich komme ursprünglich aus dem Nordwesten, und lebe seit vier Jahren in Leipzig. Erst in der Gegend um die Eisenbahnstraße und jetzt bin ich quasi vor dem Hype in mein geliebtes Connewitz geflohen. Ich mache Straßenkunst für Drinnen und Draußen und bringe somit den öffentlichen Raum und den privaten zusammen. Außerdem schreibe ich. Lyrisches, Prosaisches und Essayhaftes. Wörter und Buchstaben sind meine Passion.
Sarah, du bist selbst Redaktionsleiterin des Zeitpunkt Magazins wie bist du dazu gekommen?
Ich habe in Jena Kulturwissenschaften und Germanistik studiert. Literatur und das schreiben selbst waren schon meine Leidenschaft als ich noch sehr jung war. Als ich nach dem Studium nach Leipzig kam, hatte ich das Glück beim Kreuzer Kulturmagazin zu landen. Der Chefredakteur Andreas hat mich sehr beeindruckt und ich konnte mir vorstellen im Bereich Kulturjournalismus zu bleiben. Als ich mich dann weiter bewarb, landete ich beim Auerbach Verlag, der den ZeitPunkt heraus gibt. Dort wurde mir nach kurzer Zeit die Konzeption und Betreuung des Magazins ZeitPunkt übergeben.
Was ist die skurrilste Geschichte die dir während deiner Arbeit dort untergekommen ist?
Es passieren auf jeden Fall ständig tolle Dinge, weil man so viele Leute kennenlernt und sehr viel unterwegs ist. Mein Highlight war, dass ich die Jungs von Zugezogen Maskulin interviewen durfte, die ich selbst sehr bewundere. Aber auch beim Toten Hosen Konzert Backstage herumzulaufen, nur weil keiner recht weiß wo man gerade hin soll oder das Sternburg Kalender Shooting im Belantis, mit einem Minniemaus-Ohren-Model, bei dem wir ständig Angst hatten die Security verscheucht uns gleich und wir einem sehr verwirrten Belgier auf einem Fahrrad erstmal erklären mussten, was wir hier machen, und warum er leider das Model nicht mitnehmen kann, waren skurrile Highlights.
Du selbst bist ja auch künstlerisch tätig erzähl mir doch, wie du deine eigene Kunst beschreiben würdest?
Technisch betrachtet sind meine Arbeiten Collagen. Sie bestehen aus mehreren Schichten, bauen sich auf, wie Gefühle eben auch. Nichts ist eindimensional. Ich klebe, male, kratze, reiße, sprühe. Und ich bediene mich an dem Muster der Verfielfältigung, und nutze intensive teils grelle Farben, was an die Pop Art erinnert. Inhaltlich betrachtet sind meine Bilder feministisch. Sie handeln beinahe immer von Frauen.
Welches Werk von dir selbst gefällt dir bisher am besten? Gibt es dazu eine Geschichte?
Das variiert von Woche zu Woche, oft ist es das Bild an dem ich gerade arbeite. Denn das bewegt mich gerade. Ein Bild, dass ich selbst sehr mag ist zum Beispiel: „Etagen“ welches ich zusammen mit dem Künstler LePaien erarbeitet habe. Es zeigt unser Leipzig, aufgebaut in Etagen und ist gleichsam ein Symbolbild für Lebensstufen. Es ist immer noch in Bearbeitung, und wer weiß, vielleicht wird es nie fertig.
Dein Lieblingskünstler ist?
Frida Kahlo ist meine Inspiration und mein Vorbild. Aber ich bewundere auch Rosa Loy und bin ein fanatischer Jonathan Meese Fan. Er macht alles richtig. Diktatur der Kunst!
Dein aktueller Lieblingssong?
Das müsste ich nach Genres aufteilen. Denn ich höre so viel unterschiedliche Musik, (von Hip Hop über Psychedelic bis zu Punkrock), dass es stets aus jede Richtung einen Lieblingssong oder ein Album gibt. Wenn ich mich festlegen müsste, wären es Grim104 mit „Sternstunden der Bedeutungslosigkeit“ und Molly Nilsson mit „I hope you die“.
Du wohnst ja in Leipzig, wie siehst du die aktuelle Entwicklung in Leipzig? Was gefällt dir besonders? Was findest du gerade etwas abschreckend?
Gentrifizierung, Prozess, Teilhabe
Sich dagegen zu wehren, dass Stadtteile aufgewertet werden, ist schwer. Man kann sich selbst nicht von jeglicher Schuld freisprechen. Viele möchten, dass der Kiez (z.B. Eisenbahnstraße schöner und interessanter wird. Wichtig ist innerhalb dieses Prozesses sicher zu stellen, dass die Bevölkerung dabei nicht ausgetauscht wird. Städte sind lebende Organismen: Wenn sich an der einen Stelle etwas ändert, dann gibt es an einer anderen etwas Neues. Das war immer so. Was mich stört ist das oftmals pseudo Kritik von den Getrifizierern selbst kommt. Gut ist es, wenn sich die Leute zusammen tun und Initiativen gründen, Bündnisse aus Künstlern und Einwohnern, die für bezahlbare Mieten und gegen soziale Vertreibungen kämpfen. In Leipzig gibt es so etwas bereits, man kann dort aktiv an der Gestaltung der Kieze teilhaben. Mich persönlich hat es aber schon etwas genervt, dass im Osten nun plötzlich extrem viele junge „Hippsties“ rumrennen. Ich fühle mich da in Connewitz wohler. Kann aber auch am Alter liegen. 😉
Wenn du in Leipzig mit guten Freunden essen gehen wollen würdest, was würdest du mir empfehlen?
Zest. Eindeutig. Nirgendwo wirst du eine so gute Gemüseküche auf Sterneniveau finden. Abe auch die einfacheren Gerichte sind der Wahnsinn. Das industrielle Design im kleinen Gastraum und die Mundorgasmen auslösenden hausgemachten Limonaden sind nur noch ein weiteres Bonbon. Immer und uneingeschränkt Zest.
Und wohin würdest du mit mir gehen, wenn du tanzen gehen wollen würdest?
Ich bin ein absoluter Konzertmensch. Mit dir würde ich auf ein Hip Hop Konzert gehen. (Wird mal wieder Zeit, ja?) Aber wenn ich tanzen gehe, dann gerne im Westwerk zu gutem, harten Techno, oder im IFZ oder der Ostapotheke.
Wir kennen uns ja selbst schon etwas länger persönlich, du bist sehr aktiv bei dem Legida-Gegenprotest dabei – wie siehst du die allgemeine Entwicklung?
Erschreckend. Und es ist auch gerade so erschreckend, weil es einfach nur ein Indikator für die gesamte Entwicklung im Moment ist. Legida ist nur ein Ausläufer des allgemeinen Rechtsrucks der „Mitte“. Auf der Straße sieht man im Moment gefühlt nur noch Rentner und Hooligans. Aber was man in sozialen Netzwerk liest, wo die Menschen nicht ihr Gesicht in der Öffentlichkeit zeigen müssen, das ist absolut furchteinflößend und zeigt immer wieder wie wichtig es ist, gegen dieses Gedankengut aufzustehen, immer und immer wieder.
Leipzig ist ja ein ganz cooler Ort, aber wo auf der Welt gefällt es dir noch?
Am Meer. Ich bin ein absoluter Wassermensch. Da reicht als Substitut für kurze Zeit schon eine Seenlandschaft aber wirklich glücklich sein, kann ich nur am Meer.
Wo findet man dich in den sozialen Netzwerken?
Instagram: urban.beatnik, Facebook: Sarah Sturm
Hast du noch ein paar abschließende Wörter, die du schon immer mal los werden wolltest?
„Die Kritik an Hipstern, kann die Hipster der Kritik nicht ersetzen!“ -Grim104-
Vielen Dank Sarah, für dieses Interview.